Interview: Für Bürgermeister Heidinger wird 2020 spannend

„Was mich antreibt, ist die Idee der solidarischen Gesellschaft“, sagt Michael Heidinger in einem ausführlichen Interview mit der NRZ. „Das heißt, dass uns ein gutes Miteinander nur dann gelingt, wenn wir alle die Gesamtidee von Stadt mitdenken. Das kann man am Beispiel von Investitionen deutlich machen. Wenn man Investitionen ausschließlich danach beurteilt, ob sie jeweils einen ganz persönlichen Nutzen stiften, dann ist das problematisch. Denn dann wird der Sinn von Investitionen in Frage gestellt, wenn sie nicht den eigenen Bedürfnissen und Interessen dienen. So funktioniert Gesellschaft nicht“, betont der Bürgermeister.

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„Wenn man das Jahr 2019 nochmal Revue passieren lässt, dann gab es Positives, es gab aber auch Rückschläge“, räumte Heidinger ein. „Ein positives Beispiel ist, dass wir jetzt einen Weg gefunden haben, die Eissporthalle zu sanieren. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag zur sportlichen Infrastruktur in Dinslaken. Das hat Folgen bis in die Kultur, wenn ich etwa an das Eismärchen denke. Was gut angegangen wurde, ist der Diskussionsprozess zur L4n, die ein hochemotionales Thema ist. Die Diskussion ist mit der Moderation, die wir initiiert haben und durchführen lassen, versachlicht worden. Und das gilt auch für den Prozess der Trabrennbahn. Denn auch dieser Prozess ist mit Emotionen behaftet, weil etwas wegfällt, das den Menschen etwas bedeutet und das die Stadt Dinslaken über Jahrzehnte geprägt hat.“ Bei den negativen Punkten nennt Michael Heidinger zuvorderst das Aus für das Freibad Hiesfeld. „Auch wenn immer wieder etwas anderes behauptet wird: Wir haben – auch ich persönlich – bis zuletzt für den Erhalt des Freibades gekämpft.“ Die Politik sei bereit gewesen wäre, eine große Menge Geld in die Hand zu nehmen. „Irgendwann kam dann zu Beginn des Jahres der Hinweis, dass das Freibad aus den inzwischen bekannten Gründen nicht realisiert werden kann. Das zu formulieren und auch zu akzeptieren, war sicherlich ein schmerzhafter Prozess.“
Ärgerlich fand Bürgermeister Heidinger die Diskussion mit dem Kreis Wesel über die Straßenbahn 903, in der es darum ging, dass die Stadt Dinslaken in Zukunft die Kosten dieser Linie zahlen muss. „Da haben wir deutlich gemacht, dass es so nicht funktioniert. Die Bezirksregierung sieht die Linie 903 wie wir als eine Linie mit überregionaler Bedeutung. Deswegen ist sie auch weiter vorzuhalten. Das wollen wir auch, die Bezirksregierung fordert es sogar im Rahmen der Daseinsvorsorge. Und der Kreis Wesel streitet diese überregionale Bedeutung ab und will mit dieser Argumentation der Stadt Dinslaken die Kosten aufbürden. Dagegen werden wir uns wehren.“
Seine erneute Kandidatur für das Bürgermeisteramt stellt Michael Heidinger unter den Leitgedanken „Zuhören und Bewegen“. Das sei der Anspruch, den er auch persönlich an Stadtentwicklung habe. „Das Zuhören ist ein ganz wichtiger Punkt, denn Stadtentwicklung, die Entwicklung unserer städtischen Gesellschaft, machen wir nicht am grünen Tisch, sondern mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam. Aus dem Prozess der Vorbereitung, der Beteiligung, des Zuhörens muss dann auch Handlung folgen.“, so Heidinger.
„Zehn Jahre im Amt zu sein, hat einen Vorteil für alle. Wenn man einen Bürgermeister über zehn Jahre erlebt, dann weiß man, wofür er steht. Die Menschen können mich einschätzen, sie wissen auch, was mir wichtig ist und wofür ich politisch stehe, und damit wissen sie auch, dass ich mich für ein zukunftsfähiges Dinslaken einsetze. Für ein Zuhause für Familien und für eine Gesellschaft, in der nicht die Lautesten den Ton angeben, sondern die besten Argumente bestimmen sollen, wie wir uns in Dinslaken weiterentwickeln.“
Es sei nicht zu leugnen, dass sich die SPD bundesweit in einer schwierigen Situation befindet, sagt Heidinger. „In der SPD Dinslaken konzentrieren wir uns aber voll auf die Stadt. Wir wollen in Dinslaken den Menschen ein politisches Angebot machen, wir werben für die Idee einer solidarischen Gesellschaft in Dinslaken. Wir werden uns auf die kommunale Ebene konzentrieren. Das gilt auch für mich als Bürgermeister. Letztlich ist die Bürgermeisterwahl, das hat die Vergangenheit gezeigt, eine Personenwahl. Die Menschen können es ganz gut einschätzen, wofür ich stehe.“
Bei der Entwicklung des Bahnhofsvorplatzes habe sich die Stadt des Instrumentes eines städtebaulichen Wettbewerbs bedient. „Dadurch gab es auch rechtliche Vorgaben: Der Siegerentwurf muss prägend sein. Durch einen solchen Wettbewerb werden enge Leitplanken gesetzt. Das machen wir bei der Entwicklung der Trabrennbahn nicht, sondern wir haben hier ein Beteiligungsverfahren initiiert. Allein schon der Start im April, bei dem 300 Menschen teilgenommen haben, war vielversprechend.“ Es habe sich gezeigt, dass es gut war, eine neutrale und professionelle Moderation einzuschalten. „Das hat den Prozess insgesamt nach vorne gebracht und das ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Bürgerbeteiligung sehr erfolgreich durchgeführt werden kann“, sagt der Bürgermeister.
„Bei der Entwicklung des ehemaligen Freibadareals haben wir es ebenfalls mit einem sehr emotionalen Thema zu tun, das haben wir ja gesehen. Also brauchen wir auch gerade bei diesem Thema eine breite Beteiligung. Denn die künftige naturnahe Freizeitanlage ist ja schließlich für die Bürgerinnen und Bürger da. Es ist also nur folgerichtig, dass sie in diesen Prozess eingebunden werden. Und die Din-Fleg hat bewiesen, dass sie solche breit angelegten Bürgerbeteiligungsprozesse beherrscht. Das Trabrennbahngelände ist dafür ein gutes Beispiel. Mit Blick auf die B8 habe sich der Rat der Stadt Dinslaken klar positioniert. „Jetzt geht es darum, dass wir bei diesem Thema am Ball bleiben und politischen Druck aufbauen.“ Außerdem laufe der Dialogprozess zur L4n. „In 2020, das sieht die Zeitplanung vor, werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt.“ Ergebnisse könnten Anfang 2021 vorliegen, dann käme man in die Phase der Entscheidung, so Michael Heidinger.
Auf die Frage nach dem Bahnhofsgebäude berichtet der Bürgermeister, dass er dazu ein sehr konstruktives Gespräch mit der Bahn geführt habe. Beide Seiten hätten ein großes Interesse daran haben, das alte Gebäude zurückzubauen und neu zu bauen. „Wir haben unsere Vorstellungen eingebracht, wonach in diesem Gebäude auch eine vernünftige WC-Anlage mit eingebaut und die Fahrradabstellanlage in das Gebäude integriert werden soll. Das hat die Bahn begrüßt und wird daran arbeiten“, sagt Heidinger.
„Wir sind in einem sehr engen Austausch mit dem Forum Lohberg. Das Problem, dass die Hünxer Straße ein trennendes Moment ist, ist gar nicht wegzudiskutieren. Die endgültige Lösung werden wir erst dann bekommen, wenn die Umgehungsstraße, also der Nordeinhang der Osttangente, gebaut sein wird. Bis dahin muss man alles versuchen, die trennende Wirkung so gering wie möglich zu halten.“
Dinslaken habe das Privileg, im Rahmen der Regionalplanänderung ein erhebliches Maß an zusätzlichen Wohnbauflächen zugestanden bekommen zu haben. „Das ist eine Ausnahme bei den 53 Kommunen. Im Ruhrgebiet sind es nur ganz wenige Städte und Gemeinden, die einen Zuwachs legitimiert bekommen. Wir wissen, dass sich der Regionalplan verzögert, aber wir sind mit dem RVR im Gespräch, um möglicherweise für einzelne Vorhaben schon vorab eine entsprechende Genehmigung zu bekommen. Denn in der Tat wollen und müssen wir bezahlbaren Wohnraum in Dinslaken schaffen. Da wird die Din-Fleg der Motor sein“, kündigt Michael Heidinger an. Auf bestimmten Arealen könne eine Entwicklung schon jetzt stattfinden. „Das Gelände der ehemaligen Glückauf-Schule in Lohberg ist ein solches.“
Sorgen macht sich Michael Heidinger um eine Diskussionskultur weiterentwickelt, in der Fakten nicht mehr zählen, in der Menschen herabgesetzt, in der Menschen beleidigt werden. „Dann ist der demokratische Grundkonsens gefährdet. Und dann müssen wir alle daran arbeiten, um wieder zu einer Diskussionskultur zu kommen, die auf Wertschätzung angelegt ist, die sich am Wert des besseren Arguments orientiert.“
Eine der größten Herausforderung für Dinslaken sei weiterhin die Finanzierung der Kommunen. „Nach wie vor werden sie vom Bund über den Tisch gezogen. 90 Prozent unserer Ausgaben im Dinslakener Haushalt werden fremdbestimmt. Wir haben immer noch erhebliche Verstöße gegen das Prinzip der Konnexität – wer bestellt, der bezahlt.“ Nach Heidingers Wahrnehmung widerspreche dies der Umsetzung des Artikels 28 des Grundgesetzes, in dem die finanzielle Eigenverantwortung und die kommunale Selbstverwaltung festgehalten sind. „Wenn der Bund endlich seine Rechnungen zahlen würde, könnten wir, bei Beibehaltung des Investitionsniveaus, die kommunalen Steuern halbieren, und das wäre natürlich eine tolle Sache“, sagt Michael Heidinger im NRZ-Interview.