
Die Bundestagsabgeordneten Michael Groschek aus Oberhausen/Dinslaken und Sönke Rix, der stellvertretende familienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, luden am vergangenen Donnerstag alle interessierten Bürgerinnen und Bürger ein, sich über "die neue Freiwilligkeit" zu informieren und zu diskutieren. Es kamen etwa 70 interessierte Oberhausener und Dinslakener, die mit Vertretern des THW, der LVR Förderschulen, der AWO und der Lebenshilfe über die schwierige Lage der Institutionen sprachen.
Die Bundestagsabgeordneten Groschek und Rix stellten zu Beginn der Veranstaltung fest, dass ein Gesamtkonzept der Bundesregierung für die Zeit nach dem Zivil- und Wehrdienst fehlt. Beim Aussetzen der Wehrpflicht wurde von den Füßen zum Kopf entschieden, so Rix. Außerdem wies Groschek darauf hin, dass der THW sowie die Freiwillige Feuerwehr bei den Reformen vollkommen unberücksichtigt blieben. Hier konnten jungen Männer einen Ersatzdienst im Katastrophenschutz statt Wehr- oder Zivildienst leisten. Dieser wurde zuletzt von sechs auf vier Jahre gekürzt und wird in Zukunft ganz wegfallen. Klaus Kösling vom THW in Oberhausen berichtete hierzu, dass ihm alleine durch diese Kürzung 10 Leute verloren gegangen seien. Für die Zukunft sei es ungewiss, ob der THW noch imstande sein wird, Aufgaben des Katastrophenschutzes, aber auch der Veranstaltungsbegleitung, leisten zu können. Ohne eine deutliche Unterstützung des Katastrophenschutzes, könnten in Zukunft Veranstaltungen wie Karnevalszüge kaum noch durchgeführt werden. Zudem bleibt zu hoffen, dass die Bundesrepublik von Katastrophen, wie zuletzt in Japan oder eine erneute Hochwasserkatastrophe, vorschont wird. Denn Deutschland hätte wohlmöglich heute schon Probleme, diese zu bewältigen. Wir können nur hoffen, dass nichts passiert, so Kösling.
Doch nicht nur solche Institutionen, für die die Bundesregierung gar kein Konzept erarbeitet hat, stehen vor den Abgründen ihrer Existenz. Auch Einrichtungen wie die LVR Förderschulen, die AWO oder die Lebenshilfe, blicken durch die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes keineswegs positiv in die Zukunft. Christane Holstein vom AWO Seniorenzentrum »Kurt-Schumacher-Haus« in Dinslaken hat bisher nur eine einzige Bewerbung für den ab 01. Juli 2011 beginnenden Dienst. Sie sieht wichtige Dinge für die alten Menschen in ihrer Einrichtung, wie den einfachen Gang vor die Tür, ohne Zivildienstleistende als kaum noch realisierbar. Sven Ricken, Schulleiter LVR-Förderschule Oberhausen, fürchtet sogar den Zusammenbruch des Förderschulsystems ohne die Unterstützung der Zivis. Für das kommende Schuljahr befürchtet er, dass es zu Unterrichtskürzungen kommen wird, da die Betreuung der 120 zum Teil schwerstbehinderten Kinder kaum noch geleistet werden kann. Der LVR setzt zurzeit auf eigene Werbung und hofft auf bessere und umfassendere Unterstützung der Bundesregierung. Auch Rainer Lettkamp, der Geschäftsführer der Lebenshilfe Oberhausen, steht vor den gleichen Problemen und muss nun eigens für Unterstützung von Freiwilligen werben. Den einzigen Vorteil des Bundesfreiwilligendienstes sieht er darin, dass sich auch ältere Menschen jenseits der 27 Jahre engagieren können. Doch ob sie dies tun, bleibt ohne eine deutliche Attraktivitätssteigerung für ziviles Engagement fraglich. Bis jetzt steuert die Bundesregierung in eine deutlich gegenläufige Richtung, da immer noch insbesondere hier gespart wird.
Die Teilnehmer verständigten sich, zur erneuten Bestandsaufnahme des Bundesfreiwilligendienstes, eine Folgeveranstaltung Anfang 2012 fest einzuplanen.